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Rafael Kubelík

Rafael Kubelík

Dirigent:in

1914 — 1996
Leben und Karriere des in Tschechien geborenen Dirigenten Rafael Kubelík scheinen die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts zu kartografieren, von seiner Geburt am Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie bis zu seiner bewegenden Rückkehr nach jahrzehntelangem Exil in das neue Prag von 1990. Zum einen Botschafter der Werke seiner Landsleute Smetana, Dvořák und Janáček war er zum anderen ein Vorkämpfer für Mahler und Bruckner sowie für Berlioz’ lange und schwierige Grand opéra Les Troyens, die er 1957 am Covent Garden erstmals in einer Komplettaufführung vor Publikum brachte. Als Kubelík 1914 in Böhmen nur wenige Wochen vor Kriegsausbruch zur Welt kommt, sitzen schon fünf Töchter im Familienorchester des Vaters, des Violinvirtuosen Jan Kubelík. Kubelík wurde quasi in Musik hineingeboren und lernte auch selbst beim Vater, bevor er am Prager Konservatorium Klavier, Geige, Komposition und Dirigieren studierte. 1939 wurde er zum Musikdirektor der Brünner Oper ernannt. Nach der Schließung des Hauses durch das NS-Regime ging er als Chefdirigent an die Tschechische Philharmonie, die er bereits mit nicht einmal 20 zum ersten Mal dirigiert hatte. Aufgrund seines offenen Widerstands gegen die deutsche Besatzung musste er untertauchen, kehrte jedoch nach Prag zurück, um im Mai 1945 das erste Nachkriegskonzert zu leiten. Im folgenden Jahr gehörte er zu den Gründern des heute international renommierten Musikfestivals Prager Frühling. 1948, nach der Machtübernahme der Kommunisten, verließ er gemeinsam mit seiner Frau die Tschechoslowakei. Mehr als 40 Jahre lang kehrte er nicht in seine Heimat zurück und weigerte sich grundsätzlich, in Diktaturen aufzutreten. Kubelíks Karriere führte ihn in den 1950er-Jahren vom Chicago Symphony Orchestra zum Royal Opera House Covent Garden, wo er die britische Erstaufführung von Janáčeks Jenůfa dirigierte. Als Musikdirektor des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in München jedoch prägte er von 1961 bis 1979 eine Ära. Aus dieser Zeit stammt ein Großteil seines umfangreichen Erbes an Aufnahmen, darunter ein kompletter Mahler-Zyklus mit dem Orchester sowie maßgebliche Einspielungen von Wagners Die Meistersinger von Nürnberg und Parsifal. Nachdem er 1967 die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen hatte, trat er regelmäßig beim Lucerne Festival auf und war kurze Zeit Musikdirektor der Met, wo er erneut Les Troyens aufführte. Nachdem Kubelík sich Mitte der 1980er-Jahre vom Dirigieren zurückgezogen hatte, kehrte er 1990 in den euphorischen Monaten der »Samtenen Revolution« noch einmal aufs Podium seiner Heimat zurück. Václav Havel hatte ihn überredet, das Prager Frühlingsfestival mit der Tschechischen Philharmonie zu eröffnen. Kubelík dirigierte eine triumphale Aufführung von Smetanas Má vlast – Mein Vaterland, ein historischer Moment, festgehalten in einem berührenden Film, in dessen Sequenzen sich auch das Wesen dieses Dirigenten spiegelt. »… der penible Proben-Fanatiker war zugleich ein großherziger Orchester-Vater, der jeden Einzelnen durch sein böhmisches Musikanten-Temperament zu außergewöhnlicher Leistung entflammen konnte«, schrieb die Zeit über ihn. Kubelík starb 1996 in Luzern im Alter von 82 Jahren.