Jörg Widmann
Komponist:in
Jörg Widmann ist nicht nur ein bemerkenswert origineller Komponist, sondern auch ein virtuoser Interpret – eine Kombination, die im 21. Jahrhundert selten anzutreffen ist. Geboren in München und ausgebildet unter anderem bei Wolfgang Rihm und Hans Werner Henze, zwei Giganten unter den modernen deutschen Komponisten, machte er sich zunächst einen Namen als brillanter Klarinettist. In den 1990er-Jahren begann er als Komponist mit einer persönlichen Beziehung zur Tradition in Erscheinung zu treten. Die Titel seiner Kompositionen sind aussagekräftig: Orchesterwerke mit den eigentlich Vokalgattungen vorbehaltenen Bezeichnungen Lied (2003), Chor (2004) und Messe (2005), Kammermusik mit einem Beinamen wie Jagdquartett (2003), der auf Mozart anspielt und zugleich – wie die Kunstwerke des von Widmann bewunderten Anselm Kiefer – nahelegt, dass Geschichte für einen deutschen Künstler nie ganz unproblematisch ist.
Das bedeutet nicht, dass Widmann etwa keine Freude an seinem musikalischen Erbe hätte: Die überschäumende Konzertouvertüre Con brio (2008), ein besonders häufig aufgeführtes Orchesterwerk des 21. Jahrhunderts, ist von Beethoven inspiriert. Aber in der gewaltigen, dynamischen Oper Babylon (2012) und dem Oratorium ARCHE (2016) wählte Widmann überaus breite Projektionsflächen für seine Kulturkritik. Und alles deutet darauf hin, dass von ihm noch sehr viel mehr zu erwarten ist: als Komponist, Solist, Dirigent (seit 2022 beim Münchener Kammerorchester) oder Pädagoge (mit einer Professur an der Barenboim-Said Akademie in Berlin).