Alan Curtis
Dirigent:in
1934 — 2015
Der amerikanische Dirigent, Cembalist und Musikwissenschaftler Alan Curtis gehört zu den frühen Befürwortern historisch orientierter Aufführungen von Musik des 17. und 18. Jahrhunderts und zu den Pionieren der Wiederentdeckung vergessener Meisterwerke des Barock. Er studierte von 1957 bis 1959 bei Gustav Leonhardt in Amsterdam und kehrte dann in die USA zurück, wo er an der University of Illinois im Fach Musikwissenschaft promovierte und Mitglied der musikalischen Fakultät der University of California wurde. Viele Jahre hindurch arbeitete er gleichermaßen in Berkeley und Europa, in den letzten Jahrzehnten konzentriert er sich jedoch ganz auf seine Tätigkeit als Interpret vor allem der Opern von Monteverdi bis Mozart. Seine »Rekonstruktion« von L’incoronazione di Poppea in den 1960er-Jahren in Berkeley war seit Jahrhunderten die erste Aufführung des Werks in einer authentischen Orchestrierung.
Bei seinem Debüt an der Mailänder Scala dirigierte Curtis 1980 Händels Ariodante, zwei Jahre darauf leitete er an der Nederlandse Opera die erste Aufführung in moderner Zeit von Jommellis La schiava liberata. 1984 führte er im restaurierten Bibiena-Theater in Bologna Glucks Oper Armide auf, die er seither in zwei weiteren Produktionen geleitet hat, eine davon am Pariser Théâtre du Châtelet mit seinem eigenen, auf Originalinstrumenten spielenden Orchester. Ebenfalls 1984 dirigierte er in Innsbruck, Lissabon und auf Madeira die erste Aufführung in moderner Zeit von Händels Rodrigo. Der angesehene Vivaldi-Interpret leitete 1985 am von Palladio erbauten Teatro Olimpico in Vicenza die erste Aufführung in moderner Zeit von Giustino, weitere Aufführungen des Werks folgten in ganz Europa und in Buenos Aires. Besonders hervorzuheben unter seinen vielen anderen bemerkenswerten Opernaufführungen aus jenem Jahrzehnt sind Cimarosas Gli Orazi ed i Curiazi (Rom 1989) sowie Händels Floridante (Toronto, Ottawa und Berkeley 1990).
1992 gründete Curtis die Gruppe „Il Complesso Barocco“, ein Kammerensemble junger Gesangs- und Instrumentalsolisten, das sich insbesondere der Aufführung italienischer Madrigale von Komponisten wie Marenzio, Monteverdi, Gesualdo und d’India widmet. Hinzu kommt Vokal- und Instrumentalmusik aus dem späteren Barock, vor allem Opern von Händel und Vivaldi: eine Neuproduktion von Radamisto zur Eröffnung der Händel-Festspiele in Halle 2000, Giulio Cesare (Monte Carlo 2002) und die Erstaufführung von Fernando, re di Castiglia (Händels Originalversion von Sosarme; Lissabon, St. Gallen und Spoleto 2005). Zudem dirigierte Curtis La fida ninfa am Theater in Verona, für das Vivaldi das Werk einst schrieb, die erste Aufführung in moderner Zeit von Vivaldis Ercole sul Termodonte beim Spoleto Festival 2006 sowie im Jahr darauf in Spoleto eine Neuproduktion von Händels Ariodante.
Curtis, der als Cembalist und Dirigent über eine umfangreiche, mit vielen Preisen ausgezeichnete Diskografie verfügt, machte in den 1970er-Jahren seine erste Aufnahme für Archiv Produktion. In den letzten Jahren dirigierte er für dieses Label eine viel gerühmte Serie von Barockopern: Händels Rodelinda (2005), Floridante (2007) und Tolomeo (2008) sowie die Erstaufnahme von Vivaldis unlängst wiederentdeckter und rekonstruierter Oper Motezuma. 2009 veröffentlicht Archiv Produktion Alan Curtis’ neue Gesamtaufnahmen von Händels Alcina und Ezio.